Ernte Archiv 2019/2020 und 2020/2021

Vielleicht haben Sie sich schon mal gefragt, warum im Titel der kleinen Aufsätze über die Olivenernte eines Jahres immer zwei Jahreszahlen stehen. In diesem Text, der zwei Jahre zusammenfasst, da wir im letzten Jahr nicht dazu gekommen sind, einen Bericht über die Ernte zu schreiben, stehen sogar drei verschiedene Jahreszahlen: „Ernte 2019/2020 und Ernte 2020/2021“ Tatsächlich wurde in früheren Jahren oftmals bis in den Januar hinein geerntet und deshalb spricht man bis heute beispielsweise von der Campagna Olearia 2020/2021. Sinngemäß könnte man von einer „Ernteunternehmung 2020/2021“ sprechen. Der Gesetzgeber will bis heute, dass die tradierte Nomenklatur in offizieller Kommunikation, z.B. auf Etiketten, verwendet wird. Gesetzestreu also, obwohl es sich natürlich keinesfalls um offizielle Kommunikation handelt, bezeichnen wir unsere Erntetexte dementsprechend. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, dass, selbst unter idealen Reifebedingungen, die uns die immer extremeren Wetterbedingungen im Grunde ohnehin nicht mehr ermöglichen, so spät in der Erntesaison kein wirklich gutes Öl mehr erzeugt werden kann. Selbstredend aber legen wir heute ganz andere Maßstäbe an, als unsere Vorgänger.

Das Jahr 2019

Wir haben im Jahr 2019 nur eine relativ geringe Ernte erzielt. Das Öl war von mehr als ausreichend guter Qualität, auch wenn es sicher nicht unser bestes Jahr war. Wir haben 2019 unser jetziges Wohnhaus umgebaut und bezogen. Und in der Folge haben wir alle Gerätschaften und Werkzeuge, die unser Betrieb hat an unseren neuen Wohnsitz gebracht und für Unterbringung gesorgt. Die beiden alten Menschen, die wir seit knapp 15 Jahren betreuen, brauchten aufgrund gesundheitlicher Probleme viel mehr Betreuung als sonst. Und klar ist natürlich in diesem Fall, wo wir die Prioritäten setzen müssen. Unsere nicht aufschiebbaren ehrenamtlichen Tätigkeiten sind tatsächlich etwas aus dem Ruder gelaufen und wir mussten noch unsere Bank und die Verkäufer möglicher neuer Flächen für unseren Betrieb dazu überreden, dass unsere Ideen und Vorschläge tatsächlich sehr gute Ideen und Vorschläge wären. Auch in dieser Hinsicht ist jetzt alles auf der Zielgeraden und unser kleiner Betrieb ist auf Wachstumskurs. Wir haben 2019 vielleicht auch etwas zu viel Lohnarbeit auswärts ausgeführt. Ich lag in der Einschätzung der Aufwendigkeit von Arbeiten mehrfach ein wenig daneben. Und dann verlangte eine sehr gut ausgebuchte Saison im Agriturismo natürlich auch nach viel Präsenz. Von Blitzeinschlägen, Sturmschäden, Streitigkeiten mit Versicherungen, Schäden bei Arbeitsgeräten, der Einführung einer komplett digitalen Registrierbuchhaltung (die jeden Abend in Echtzeit dem hiesigen Fiskus mitteilt, wie es denn so steht), dem Kauf neuer Gerätschaften etc. möchten wir jetzt gar nicht weiter schreiben, sonst läuft der Text wirklich Gefahr, wie ein nicht sonderlich informativer Tagebucheintrag zu wirken. Wir wollen also niemanden mit der obigen Aufzählung langweilen und schon gar nicht soll es ein Lamento sein, zumal alle Dinge, die angestoßen oder erledigt wurden, für die weitere Entwicklung gut und nötig waren. Dieser kleine Absatz soll nur kurz illustrieren, warum wir bei der Pflege der Olivenbäume ein wenig ins Hintertreffen geraten sind, verglichen mit dem, was wir bisher schon etabliert hatten.

Das Jahr 2020

Das Jahr 2020 begann aus Sicht unseres Betriebs sehr gut. Die Niederschläge nach der Ernte waren für unsere Provinz Livorno im November so ergiebig wie noch nie im langjährigen Mittel (30 Jahre). In manchen toskanischen Provinzen waren die Niederschläge sogar ergiebiger als je zuvor, seit Beginn der systematischen Messungen. Zum Glück gab es nur selten extremen Starkregen und die Niederschlagsmenge war einigermaßen gut verteilt, so dass wenigstens hier in der Gegend größere Schäden ausblieben. Die zuständigen Behörden und Genossenschaften haben in den letzten Jahren auch eine immer bessere Arbeit geleistet beim Anlegen oder Reinigen und Instandhalten von Rückhaltebecken, Drainage – und Ablaufkanälen. Und wie schon an anderer Stelle beschrieben, professionalisiert sich die Landwirtschaft sowohl im Kleinen als auch im Großen immer mehr. Außerdem werden auch private Landbesitzer – wenigstens hier in Suvereto – mit zunehmendem Nachdruck in die Pflicht genommen, ihre Aufgaben bei der ordnungsgemäßen Lenkung und Ableitung von Niederschlagswasser gut zu erfüllen. Alle obengenannten Faktoren und die Tatsache, dass die Niederschlagsmenge einigermaßen gut verteilt niederging, trugen dazu bei, dass die Schäden durch diesen Rekord-Monat gering waren. Auch innerhalb des Betriebs waren wir gut vorbereitet und kamen ohne Schäden durch den November. Der organische Pelletdünger, den wir immer nach der Ernte aufbringen, wurde durch den vielen Regen gut gelöst und in den Boden eingetragen. Der Pelletdünger besteht aus gereiftem Mist, der sich ohnehin erst nach mehrjähriger Gabe wirklich bemerkbar macht, wenn die Böden insgesamt fruchtbarer werden. Er wird durch diese Regen zum Glück nicht einfach ausgewaschen, wie es bei manchen Düngern aus Synthesechemie der Fall ist, deren Nährstoffe möglichst unmittelbar den Pflanzen zur Verfügung stehen sollen und die sich deshalb sehr schnell vollständig in Wasser lösen. Außerdem steht im November der ganzjährige Grasbewuchs zwischen den Bäumen wieder hoch genug, so dass die kleinen Pellets gut liegen bleiben und nicht weggespült werden. In den wenigen Stunden, in denen es nicht regnete, konnten wir alle Olivenbäume, die in Produktion stehen, düngen. Der darauffolgende Dezember war ebenfalls regenreich, die Niederschlagsmenge befand sich aber ganz in der Nähe des langjährigen Mittels. Die etlichen windstillen und sonnenreichen Tage im Dezember konnten wir gut nutzen, um den Pflanzen eine sehr gering konzentrierte Kupferlösung aufzusprühen. Man macht dies um die vielen winzigen Verletzungen, die dem Baum während der Ernte zugefügt werden zu desinfizieren, aber auch um den Pflanzen das für ihren Stoffwechsel nötige Kupfer zuzuführen. Etliche Krankheiten können durch diese Verletzungen entstehen. Neben vielen Pilzerkrankungen ist die wichtigste dieser Krankheiten die sogenannte rogna dell’olivo, wörtlich die „Olivenkrätze“. Sie wird durch den Befall der Bäume mit der Unterart Savastanoi der Pseudomonas-Syringae-Bakterien hervorgerufen. Befallene Pflanzenteile entwickeln Wucherungen, die oft knollen- oder knotenförmig sind; tubercoli nennt man diese Wucherungen im Italienischen. Entsprechend ist die deutsche Bezeichnung der „rogna“ Tuberkelkrankheit. Die Tuberkel können auf allen holzigen Pflanzenteilen entstehen, bisweilen wachsen sogar auf den Blättern kleine Wucherungen. Bei starker Ausprägung können diese tumorartigen Veränderungen im Holz zu erheblich reduzierter Fließfähigkeit der Baumsäfte führen. In Extremfällen können mithin sogar ganze Hauptäste absterben. Bei fortschreitender Erkrankung nimmt in jedem Fall die Wüchsigkeit der Äste immer weiter ab, es werden weniger und weniger gut geformte Blätter gebildet. Letztlich sinkt die Produktion erheblich. Die Bäume bilden an stark befallenen Pflanzenteilen viel weniger und überdies viel kleinere Oliven. Bereits seit Jahrtausenden haben Ölbauern mit dieser Krankheit zu tun. Allein erst seit Ende des 19. Jahrhunderts hat man verstanden, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt und die vielfältigen abergläubischen Erklärungsversuche für die Fehlbildungen der Pflanzen wurden immer weniger bemüht. Sicherlich gab es hie und da auch in historischer Zeit einigermaßen erfolgreiche Bearbeitungstraditionen, durch Versuch und Irrtum etabliert. Im Großen und Ganzen waren unsere Vorgänger aber ziemlich hilflos gegen die rogna. Ein wirklich effektiver Umgang mit dieser potentiell sehr schädlichen Erkrankung konnte erst entwickelt werden, nachdem die magischen Erklärungsversuche (Erdstrahlen, Gestirne, Sündhaftigkeiten, Geister und vieles mehr…) nicht mehr bemüht wurden.  Seit einigen Jahrzehnten wird unter anderem vom toskanischen Landwirtschaftsministerium systematisch untersucht, welche agronomischen Methoden angewendet werden können, um die Neuinfektion von in dieser Hinsicht gesunden Pflanzen zu vermeiden und um befallene Bäume möglichst gut zu pflegen. Landwirtschaftliche Betriebe etwa sind mittlerweile im Grunde verpflichtet, nur noch neue Bäumchen zu setzen, die zertifiziertermaßen frei sind von Pseudomonas-Syringae. Alle größeren und professionelleren Baumschulen bieten diese Zertifizierung. Wenn man Oliven schneidet ist wichtig, die Bakterien nicht von einer Pflanze auf die andere zu übertragen. Insbesondere wenn ganze, nicht kontaminierte Haine vorliegen, ist große Vorsicht geboten. Ein einziger unsachgemäß ausgeführter Schnitt der Bäume eines Hains kann leicht alle infizieren. Und ein befallener Baum kann diese Infektion im Grunde leider nie mehr loswerden. Man sollte also die Schnittwerkzeuge so oft wie möglich desinfizieren. Idealerweise nach jedem ausgeführten Schnitt. An derselben Pflanze wäre das aber tatsächlich zu aufwendig. Immer jedoch wird desinfiziert, wenn man von einer Pflanze zur nächsten wechselt. Da die Pseudomonas-Savastanoi innerhalb der Pflanze nur wenige Zentimeter im Jahr wandern können, oft sogar nur wenige Millimeter, sind die wichtigsten Infektionsherde die Verletzungen der Pflanze. Der Schnitt der Bäume stellt natürlich solche Verletzungen dar. Wenige, klare, größere Schnitte wären also sowohl ökonomisch sinnvoll, weil sie schneller und oft sogar vom Boden aus ausgeführt werden können, als auch vom Infektionsgeschehen her, eine gute Prävention. Große Schnitte bringen die Bäume aber viel stärker aus ihrem vegetativen Gleichgewicht und wirken sich auch sehr negativ auf die Produktion aus. Man versucht also ein Gleichgewicht zu finden zwischen vielen, kleinen, präzisen Schnitten, die die Pflanze in eine gute und produktive Form bringen, ohne sie dabei zu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wobei man natürlich ein höheres Infektionsgeschehen in Kauf nimmt als bei oben beschriebenen, wenigen, großen Schnitten. Die Spanne innerhalb derer diese Balance zu finden ist, hat viel mit den Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines Betriebes zu tun und ist deshalb im Grunde oftmals vorgegeben. Die umfangreichen Empfehlungen unseres Landwirtschaftsministeriums in der Sache sind sehr hilfreich, um sich innerhalb des Möglichen optimal einzupendeln.Die neugebildeten Zweige sind erst einmal völlig frei von der Infektion, auch wenn der Baum insgesamt befallen ist und diese Infektion auch nie geheilt werden kann. Auch wenn Ölbäume langsam wachsen, ist das Wachstum meist viel schneller als die Wanderungsgeschwindigkeit der Bakterien in den Baumsäften. Ein gut fertilisierter Ölbaum, dem ausreichend Wasser zur Verfügung steht und der sich in einem guten vegetativen Gleichgewicht befindet, kann also ohne weiteres der Pseudomonas-Infektion „davon wachsen“. An dicken Stellen im Holz, etwa dem Stamm oder den Hauptästen, die bei einem regulären Schnitt nicht geschnitten werden können, kann die Infektion auf diese Weise natürlich nicht beseitigt werden, aber der schädliche Einfluss der Tuberkel auf die Pflanze ist an dicken Stellen weniger stark als bei den kleinen Ästchen. Immerhin kann durch systematischen Schnitt die insgesamte Zahl der Wucherungsstellen, von denen jede einzelne den Baum schädigt, stark reduziert werden. Da auf einem einmal befallenen Baum die Pseudomonas-Syringae-Bakterien im Grunde fast überall auf der Rinde lauern, sind alle Verletzungen eine potentielle Gefahr. Besonders schlimm können Frostschäden sein, da diese auf einen Schlag tausende kleinerer und größerer Risse verursachen können, in die dann die Bakterien eindringen können. Aber auch starke Winde, die die Äste aneinander scheuern und schlagen lassen, können für Verletzungen sorgen. Ebenso sorgen starke Hagelfälle oftmals in den oberen Bereichen der Bäume und in den freistehenden, nicht von Laub und Ästchen bedeckten, Hauptgabelungen für Verletzungen. Neueste Erkenntnisse machen übrigens evident, was schon lange vermutet wurde, nämlich, dass auch der Hauptschädling der Oliven, die Olivenfliege, Dacus (Bactrocera) Oleae, die Pseudomonas-Infektion weiterverbreiten kann. Schon lange hatte man nachgewiesen, dass im Verdauungstrakt der Olivenfliegen oftmals Pseudomonas-Bakterien leben, aber erst in jüngster Zeit konnte man definitiv nachweisen, dass von den Fliegen tatsächlich Infektionen ausgehen. Ein Grund mehr die Population der Olivenfliegen gering zu halten. Im Januar und Februar 2020 waren die Niederschlagsmengen eher unterdurchschnittlich aber keineswegs dramatisch wenig. Die immer längeren Sonnenstunden und die milden Temperaturen im Januar und Februar sorgten dafür, dass die Bäume sehr früh in ihre primäre Wachstumsphase starteten. Anders als 2018, als nach ähnlich milden Temperaturen in den ersten beiden Monaten des Jahres ein Frost Anfang März, unsere Oliven im wahrsten Sinne des Wortes kalt erwischt hatte, gab es 2020 zum Glück keinen späten Frost. Dieser wäre besonders schädlich gewesen, da die vielen jungen Triebe, die die Bäume schon entwickelt hatten, besonders kälteempfindlich sind. Auch das alte Holz ist viel stärker in Gefahr wenn sich der Baum mitten im Wachstum befindet, da die Pflanzensäfte sehr dünnflüssig sind und viel leichter einfrieren als bei einem Baum, der in Winterruhe ist und der den Stoffwechsel auf ein Minimum reduziert hat. Nachdem in den vorangegangenen Jahren oftmals starke Schnitte nötig waren, um die Vielzahl völlig verwilderter Bäume langsam wieder in Produktion zu bringen, waren im Winter 2019/2020 leichte Schnitte ausreichend. Das Wachstum der Bäume war, wie es bei Oliven in Produktion sein soll, hauptsächlich Blattwachstum an kleinen dünnen Zweigen, die im nächsten Jahr Oliven produzieren werden. Die Ölbäume bilden ihre Früchte immer an dünnen Ästchen im zweiten Jahr nachdem diese gewachsen sind. Mit großer Zufriedenheit konnten wir feststellen, dass auch die kleinen Äste aus dem Jahr zuvor sehr fruchtbar waren und eine Vielzahl von Blütenknospen an ausreichend lange Ästchen hatten. In den ersten Apriltagen begannen die Pflanzen ernsthaft zu wachsen und viele neue Triebe wuchsen aus den Knospen. Die Blütenknospen in den Achseln der Blätter begannen sich etwas später zu regen – Ende des Monats. Die Blüten der Ölbäume wachsen nicht als einzelnen Blüten direkt am Ast, sondern in Rispen. Diese Rispen voller nicht geöffneter Blüten nennt man mignole. Bereits in diesem Stadium konnte man eine erste Ahnung von der kommenden Üppigkeit haben. Unsere Bäume hingen über und über voll mit den kleinen Blütenständen. Und dann war es Ende Mai, ein bißchen früher als sonst, soweit. Die unzähligen Blüten platzten auf und die ansonsten silbriggrünen Bäume wirkten fast weißlich durch die ungezählten kleinen Blüten mit ihren vier winzigen, strahlend weißen Kronblättern. Diese Blätter verfärben sich nach ein paar Tagen gelblich und ziehen sich zusammen, bevor sie dann abfallen. Für ein paar Tage wirkten die Bäume während dieses Vorgangs fast leicht gelbbraun. Trotz etwas zu starker Winde in dieser sehr fragilen Phase habe die Oliven weniger Blüten/Fruchtansätze abgeworfen als in vergangenen Jahren. Außerdem war es in den entscheidenden Tagen sehr trocken. Wenn es nicht trocken genug ist, kann der Pollen der Oliven, die Windbestäuber sind, nicht gut fliegen. Wir hatten in dieser Hinsicht wirklich Glück, war doch der Juni ungewöhnlich regenreich. Außerdem stieg zur richtigen Zeit das Thermometer nicht mal in die Nähe der 30 Grad Celsius. Auch in dieser Hinsicht hatten wir Glück. Normalerweise ist es Anfang Juni ohnehin nicht so heiß, aber in letzter Zeit hatten wir immer öfter bereits Anfang Juni sehr hohe Temperaturen. Jenseits der 30 Grad Celsius stellen nämlich die Pollen das Wachstum ihrer Pollenschläuche mehrheitlich ein und die eigentliche Befruchtung der Blüte findet dann gar nicht statt. Üblicherweise schaffen es die Ölbäume etwa zwei Prozent ihrer Blüten zu behalten und aus diesen Früchte wachsen zu lassen. Ich denke, wir waren in diesem Jahr klar darüber, aber das ist nur eine sehr freihändige Schätzung, keine echte Hochrechnung. Vor der Blüte haben unsere Bäume noch etwas Hilfe bekommen und wurden gewässert und erhielten Blattdünger. So kamen sie ohne jede Störung ihres Wachstumszyklus durch den ziemlich trockenen Mai. Außerdem wurden alle Olivenhaine im Mai gemulcht. Das Mulchen verhindert, dass das hohe Gras in die Bäume einwächst und diese behindert. Außerdem wird auf diese Weise die starke Verdunstung durch hohes Gras reduziert. Zum einen wird dem Boden dadurch weniger Feuchtigkeit entzogen, was unmittelbar den Oliven zu Gute kommt, zum anderen wird die Wahrscheinlichkeit von Pilzerkrankungen reduziert, da so die Luftfeuchtigkeit zwischen den Bäumen abnimmt. Wie mittlerweile schon fast üblich, hatten wir auch dieses Jahr wieder einen extrem heißen Sommer. Dieser Sommer war wieder heißer als alle langjährigen Mittel. Aber das war auch schon im letzten Sommer so und im vorletzten. Wir werden wohl lernen müssen, mit diesen extremen Temperaturen umzugehen. Unnötig zu sagen, dass es natürlich auch für unseren kleinen Betrieb hilfreich wäre, genauso wie fast überall sonst auf der Welt, wenn es nicht immer wärmer werden würde. Das Aufbringen von Kaolin, wie schon (http://lakaja.it/erzeugnisse-20172018/) beschrieben, musste aufgrund der teilweise extrem hohen und vor allem auf Grund der extrem lange so hohen Temperaturen nicht allzuoft wiederholt werden. Die Sterblichkeit der Olivenfliege nahm aufgrund der Hitze massiv zu und die Larvensterblichkeit erreichte phasenweise fast hundert Prozent. Durch das Bewässern konnten wir die Oliven einigermaßen gut über den Sommer retten und es fielen nur vergleichsweise wenig Früchte herab. Würden die Ölbäume stark unter Trockenheitsstress leiden, wäre natürlich die erste Reaktion der Bäume die entbehrlichsten Teile, in diesem Fall die Früchte, nicht mehr zu versorgen. Die unversorgten Früchte schrumpeln dann stark ein und fallen meistens ab. Wenn wir diese extremen Einbußen auch nicht erleiden mussten, so war die Entwicklung der Oliven durch die Hitze doch erheblich verlangsamt. Bei allzu hohen Temperaturen reduzieren die Bäume trotz Bewässerung in jedem Fall ihren Stoffwechsel. Im September haben die extremen Temperaturen etwas nachgelassen und man konnte die vielen Oliven an ihren schweren Zweigen, die begannen sich unter dem Gewicht immer mehr zu neigen, gut erkennen. An der Stelle könnte jetzt ein starker Hagel oder ein extremer Sturm viel zunichte machen. Aber zum Glück wurden wir davon verschont. Hauptsächlich im Oktober reichern die Pflanzen das Öl in den Früchten an. Dieser Vorgang wird durch milde Temperaturen begünstigt. Wenn es zu heiß ist oder zu kalt, verzögert sich dieser Vorgang und läuft manchmal sogar unvollständig ab. Wie jedes Jahr gegen Ende Oktober begannen wir mit der Ernte. Wie diese im Einzelnen abläuft ist ausführlich beschrieben. Der Oktober dieses Jahres war extrem niederschlagsreich und wir mussten den Beginn der Ernte um einige Tage verschieben. Unterm Regen kann nicht geerntet werden. Dann war es endlich soweit. Die viele Arbeit hat sich wirklich gelohnt. Die Pressungen in diesem Jahr waren allesamt von ausgesuchter Qualität. Insbesondere die letzten Pressungen, die den November und Dezember über im großen Stahltank dekantiert sind und kurz vor Weihnachten in Flaschen gefüllt wurden, sind nach unserem Dafürhalten wahrscheinlich das beste Öl, das wir bisher erzeugt haben. Die Geschmacksattribute sind sehr ausgewogen und es sind effektiv keine Defekte zu schmecken. Mal sehen, wie das Öl übers Jahr kommt und wie es sich nächsten Sommer degustiert.

Aussicht für die nächsten Jahre

Viele unserer Bäume sind nach Jahren mittlerweile soweit, dass wir im Grunde jedes Jahr eine einigermaßen gute Ernte garantieren können. Sicherlich mal mehr und mal weniger, aber doch immer ein gutes Minimum. Bei echten Naturkatastrophen wie extremer Nässe, Hagel oder extremem Frost sähen die Dinge natürlich anders aus. Aber die normalen Schwierigkeiten und Schwankungen haben wir mittlerweile ganz gut im Griff. Wir haben noch tausende Bäume, die noch nicht ernsthaft in Produktion sind. Jahr für Jahr werden immer mehr dieser Bäume ihren Beitrag leisten. Erst einige unserer Bäume sind in voller Produktion. Wir können also davon ausgehen, dass wir die Produktion noch lange steigern werden können. Wer ein bißchen unsere Reise bis hierher verfolgt hat, kann sich gut vorstellen, welche Freude diese Aussicht bedeutet.

Lagerung der Olivenöl-Flaschen

Wenn Sie Öl von uns erwerben mögen – abgesehen davon, dass uns das natürlich sehr freut – bedenken Sie bitte die Lagerungsmöglichkeiten. Die Flaschen sollen an einem möglichst dunklen, gänzlich vor Sonnenlicht geschütztem und trockenen Ort gelagert werden. Die ideale Lagerungstemperatur liegt zwischen zwölf und fünfzehn Grad Celsius. Über 18 Grad sollten auf keinen Fall überschritten werden, weniger als sechs bis acht Grad sollten nicht unterschritten werden. Sollte ein Öl doch einmal so kalt werden und sogar beginnen auszuflocken, ist das kein größeres Problem für die Qualität des Öls. Hauptsache, das Öl ist nicht ständig diesen kalten Temperaturen ausgesetzt. Temperaturen einiges über 20 Grad schädigen das Öl hingegen im Grunde sofort.

Einmal geöffnete Ölflaschen verbleiben meistens in der Küche oder dem Esszimmer. Dort ist das Öl in der Regel höheren Temperaturen und auch Sonnenlicht ausgesetzt. Wenigstens während des Essens oder Zubereitens ist auch oft der Deckel aufgeschraubt und das Öl hat direkten Kontakt zum Luftsauerstoff. Da Öl in den seltensten Fällen – was übrigens ideal wäre – sofort nach dem Öffnen der Flaschen konsumiert wird, haben wir die Flaschengröße geändert. Ein Teil unserer Produktion ist schon dieses Jahr in 0,5 liter Flaschen abgefüllt worden, der Rest noch in den bisher üblichen 0,75 liter Flaschen. Ab nächstem Jahr wird es nur noch die kleineren Flaschen geben. Mit den kleineren Flaschen können die Standzeiten in ungünstigem Ambiente verringert und die hohe Qualität des Öls länger erhalten werden.

Die katastrophale Ausbreitung der Xylella Fastidiosa

Wir möchten noch etwas ansprechen, das nicht unmittelbar mit der diesjährigen Ernte zu hat. Viele Leute, von uns aus gesehen jenseits der Alpen, haben in diesem Jahr zum ersten mal aus den Medien von einem großen Problem erfahren, welches uns Ölbauern schon seit vielen Jahren beschäftigt. Spätestens seit dem Jahr 2013, mit großer Wahrscheinlichkeit sogar schon seit geraumer Zeit früher, zirkuliert auf der Halbinsel Salento, die den Absatz des italienischen Stiefels bildet, ein Stamm der sogenannten Feuerbakterien. Die Xylella Fastidiosa ist ein Bakterium, das viele Pflanzen befällt und teils schwere Schäden im Stoffwechsel anrichtet. Die Unterart Xylella Fastidiosa Pauca befällt, soweit heute bekannt, alle Olivensorten. Bis auf ganz wenige Sorten, bei deren Exemplaren die Schädigungen weniger massiv sind und die augenscheinlich mit dem Schädling koexistieren können, sterben im Grunde alle befallenen Bäume.  Mittlerweile sind ungezählte Bäume infiziert. Bei einigen zehntausenden wurde das Bakterium per Abstrich und Kultur nachgewiesen. Es sind aber Millionen weiterer Bäume entweder schwerkrank oder schon abgestorben. Manchmal wird das Ausmaß der Erkrankung erst nach sehr langer Zeit bei einem Ölbaum sichtbar. Es gibt Fälle von Olivenbäumen, die, obwohl nachweislich von Xylella befallen, erst nach über einem Jahr sichtbare Symptome entwickelt haben. In all der Zeit sind die Bäume aber hochansteckend für andere Oliven. Die gemeinhin als Schaumzikade bezeichnete Schaumzirpe (Philaenus spumarius) wurde als Hauptüberträger der Feuerbakterien identifiziert. Diese Zikaden, genauso wie etliche weitere Insekten, die aber weit weniger zahlreich sind und sich auch nicht so stark auf die Oliven spezialisiert haben und deshalb weniger entscheidend sind für die Ausbreitung von Xyllella, stechen in das Xylem der Pflanzen. Im Xylem führen die Pflanzen Pflanzensaft von den Wurzeln nach oben und versorgen auf diese Weise den Rest der Pflanze mit Nährstoffen, Mineralstoffen und Wasser. Die Schaumzikaden stechen das Xylem einer Pflanze an und ernähren sich von den Pflanzensäften. Dabei können sie die, in ihrem Körper lebenden Feuerbakterien übertragen. Diese Bakterien sind anders als die weiter oben beschriebenen Pseudomonas-Bakterien viel mobiler. Sie können sich in vergleichsweise kurzer Zeit von einem Infektionsherd aus in der ganzen Pflanze ausbreiten. Dennoch ist die Verteilung dieser Bakterien in der Pflanze anfangs oftmals nicht sehr einheitlich. Wiederholt wurden Abstriche von befallenen Bäumen gemacht, die negativ waren. Dennoch müssen diese Bäume schon längere Zeit befallen gewesen sein. Diese Umstände und der lange Zeitraum zwischen Erkrankung und tatsächlich sichtbaren Symptomen und viele weitere Erschwernisse im Umgang mit diesen, in der alten Welt im Grunde unbekannten Bakterien, führen dazu, dass es sehr schwierig ist, die Feuerbakterien einzudämmen. Wenn ein infizierter Baum entdeckt wird, muss dieser sofort samt Wurzeln herausgerissen werden und idealerweise sofort verbrannt oder anderweitig entsorgt werden. In einem großen Umkreis müssen alle anderen Bäume, selbstverständlich auch alle augenscheinlich gesunden Bäume, ebenfalls beseitigt werden, um eine Schneise ohne mögliche Wirtspflanzen, zu erschaffen. So engmaschig wie möglich wird dann mit Stichproben versucht festzustellen, wie weit die Ausbreitung tatsächlich fortgeschritten ist. Innerhalb des Korridors müssen alle weiteren möglichen Wirtspflanzen identifiziert werden. Neben vielen weiteren Pflanzen sterben an der Xylella Fastidiosa Pauca auch zum Beispiel fast alle Oleander- und Rosmarinsträucher und alle Mandelbäume. Natürlich ist der wirtschaftliche Schock wenn in einer wunderschönen Allee, eine über und über blühende, viele Meter hohe Oleanderhecke vertrocknet ist nicht so groß, dass es überregional Nachrichten generiert. Aber die brachiale Umgestaltung und Verwüstung einer ganzen Kulturlandschaft in Apulien betrifft viel mehr als nur die weltberühmten Ölbäume. All diese potentiellen Wirtspflanzen müssen dann innerhalb der betroffenen Zone und innerhalb des Schutzkorridors beseitigt werden und alle übertragenden Insekten innerhalb der befallenen Zone und des Korridors müssen möglichst stark dezimiert werden. Das entscheidende bei solchen Maßnahmen ist die Geschwindigkeit und Vollständigkeit der Ausführung. Nur ein drastischer, im Zweifelsfall über die Maßen rigoroser Zugriff, kann bei dieser Pflanzenseuche Hilfe versprechen. Ohne Überträger – Vektoren – und ohne Wirtsorganismen, verschwindet im Laufe der Zeit die Feuerbakterienseuche wieder. Dass dies grundsätzlich möglich ist, wurde anhand der vielen vereinzelten Infektionsherde, die an anderen Stellen aufgetreten sind und die erfolgreich eingedämmt wurden, eindrucksvoll gezeigt. Um eine eingängige Metapher zu bemühen: Als die oberste italienische Forschungsbehörde CNR im Sommer 2013 feststellte, dass bereits tausende befallene Olivenbäume vorlägen und um die Katastrophe abzuwenden sofort mehrere hunderttausend Bäume zu fällen wären, war das – vergessen wir die Biologie für einen Moment – in der Aussicht für den Ölanbau, möglicherweise im gesamten Mittelmeerraum, so, als wäre ein sehr großer, maligner aber operabler Tumor diagnostiziert worden. Sofortige Exzision wäre unausweichlich. Mit den Schäden für die Landwirte, Ölmüller und alle sonstigen Beteiligten an der Wertschöpfungskette, hätte natürlich umgegangen werden müssen. Gute Übergangslösungen in praktischer und finanzieller Hinsicht hätten gefunden werden müssen. Die Tränen über die Zerstörung vieler hundert tausender Olivenbäume, viele davon Jahrhunderte alt, hätten vergossen werden müssen und diese Seuche hätte im Keim erstickt werden müssen. Und dann hätte man in gewisser Ruhe und gut sortiert das Vorgehen planen können. Schnelltests für Bäume entwickeln, rigorose Kontrollen von Pflanzenimporten einführen, die Züchtung resistenter oder wenigstens toleranter Sorten betreiben, die betroffenen Betriebe ausreichend und großzügig entschädigen, klar nachvollziehen, warum erst dann ernsthaft geforscht wurde, als schon tausende Bäume am Absterben waren und sich zukunftsfest wappnen mit schnellen und flexiblen, europäischen Strukturen etc. pp. Das alles hätte passieren müssen und natürlich vieles mehr.

Tote Olivenbäume in Apulien 2020

(Man möge mir das Pathos an dieser Stelle verzeihen, aber was dann folgte, kann ich nur als Menetekel kommenden Unheils bezeichnen. Die schier unglaublichen Vorgänge, die sich seit 2013 abgespielt haben, lassen wirklich Zweifel an der Zukunftsfestigkeit unseres abendländischen, aufgeklärten Gesellschaftsversuchs aufkommen. Die Mechanik der Vorgänge ist mittlerweile leider nur zu gut aus vielen anderen Zusammenhängen bekannt und ich kann leider nicht berichten, dass es sich nur um eine Verirrung in der kleinen Nische der Ölbauern handelt.)

Die Diagnose war also gestellt. Ein internationales Team von erfahrenen Ärzten verschiedenster Disziplinen, hatte diese bestätigt und die Therapievorschläge der behandelnden Ärzte einhellig gut geheißen. Der Tumor musste sofort raus! Bei sofortiger Operation konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Genesung ausgegangen werden. Die Schmerzen und Entbehrungen würden temporär sein.

Wie in einem Laborversuch konnte man dann beobachten was passiert, wenn sich Unbildung und Aberglauben, nicht mehr von Tresen zu Tresen arbeiten müssen, sondern auf den Datenautobahnen der sozialen Netzwerke fast in Lichtgeschwindigkeit hin- und herrasen. Ein Mob entstand,  dem sich vom einfachen armen Teufel, über Spitzenpolitiker bis hin zu Staatsanwaltschaften und höchstrichterlicher Gerichtsbarkeit viel zu wenige nur zu entziehen wussten. Ein Mob der Selbstermächtigten, ein Mob der grenzenlos Anmaßenden.

Leeres Wort war diesen die Diagnose der ausgewiesenen Fachleute. Nichts galt diesen Expertise. Wissen, die wissenschaftliche Methode, Studium, Gelehrtheit, Evidenz – alles nichts! Mithin die Moderne selbst, die uns von finsterer Vergangenheit scheidet. Alles nichts.

Um nicht völlig ins pamphlethafte abzudriften, möchte ich nur in Stichpunkten wiedergeben, was dann passierte:

– Nachdem Xylella Fastidiosa Pauca im Sommer 2013 definitiv von verschiedenen Labors und Stellen und vor allem von der obersten italienischen Forschungsbehörde nachgewiesen wird, werden etwa 1700 Bäume getestet. Hunderte Bäume erweisen sich als infiziert. Fast alle stehen in der Nähe der Landzunge von Gallipoli. Einige positive Bäume werden auch südlich von Lecce identifiziert. Der Rest des Salento scheint noch frei zu sein von den Feuerbakterien.

– Gemäß der oben beschriebenen Maßnahmen wird in Übereinstimmung mit EU-Vorgaben vom damaligen Landwirtschaftsministerium angeordnet/vorgeschlagen (die tatsächliche Ausführung obliegt der Region (Bundesland) Apulien), dass einige hunderttausend Ölbäume sofort beseitigt werden müssen.

– Unmittelbar formieren sich Proteste der betroffenen Bauern, die sich schnell zu einem nachhaltigen Widerstand mit vielen Kundgebungen und Aktionen, unter Beteiligung verschiedenster Gruppierungen, entwickeln. Es werden deshalb kaum Bäume entfernt, das Schutzkonzept läuft nur extrem schleppend und mit großer Verspätung an.

– Mit großer Geschwindigkeit werden die unglaublichsten Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt. Man braucht nur das kritische Denken zu unterlassen, dann ist alles sehr klar und einfach. Es gäbe keine Xylella, die Bäume stürben aus anderen Gründen. Xylella wäre ein Designerbakterium der Pharmaindustrie. Es wäre Erdöl gefunden worden! Allerdings in den besonders geschützten Landschaftsschutzgebieten, mit teilweise über tausendjährigen Ölbäumen. Hier dürfe natürlich nicht gebohrt werden, also wären die Bäume vergiftet worden. Der Norden Italiens wolle endgültig dem verhassten Süden den Garaus machen…

Man könnte fast freihändig drauflos blödeln und Abstrusitäten erfinden. Fast nichts ist so abseitig, dass es nicht schon irgendwo allen Ernstes behauptet worden wäre.

– Insbesondere Mitglieder der politischen Oppositions – und Antipartei der 5 Sterne, bis in die höchste Führungsebene der Bewegung hinauf, tun sich hervor mit ihren oftmals völlig haltlosen Aussagen. Leider hat diese Bewegung bisher kaum je vermocht, die durchaus hehren Grundüberzeugungen in verantwortliche politische Aktion zu übertragen. Der Kern dieser Bewegung sind Amateure und Laien. Teilweise schon in den Parlamenten angekommen, also vorgeblich mit Insiderinformationen ausgestattet, dennoch aber erkennbar Novizen auf fast jedem Feld, wirken ihre Aussagen auf diese Weise doppelt glaubhaft auf viele Menschen, die irgend etwas glauben wollen. „An der Macht, aber trotzdem einer von uns, hör ihn nur reden“.  Eine sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung beginnt: Je größer die Vorwürfe und je krasser die Beschimpfungen der „Feinde“, desto größer der Zuspruch der aufgebrachten potentiellen Wähler.

– Wissenschaftler und Funktionäre werden zunehmend privat angegangen, viele erhalten Drohungen, teilweise sogar Morddrohungen. Versuchsanstalten, die sich mit Xylella beschäftigen, werden vandalisiert.

– Zunehmend beugen sich die regierenden Sozialdemokraten dem Druck der Straße. Die Maßnahmen werden kaum noch vorangetrieben. Verschiedene offizielle Stellen äußern sich oft widersprüchlich. Xylella nimmt keine Rücksicht auf die Umstände und verbreitet sich immer schneller. Überall stellen sich plötzlich selbsternannte Experten vor und propagieren wirkungslose Kuren. Darunter auch viele Personen aus der Politik und des öffentlichen Lebens. Viele der zunehmend verzweifelten Erzeuger ergreifen jeden Strohhalm. Es werden massenweise Klagen gegen die Maßnahmen eingereicht und viele Strafanzeigen gegen vermeintliche Schuldige dieses Desasters gehen bei den Strafverfolgungsbehörden ein.

– Im Mai 2015 gibt ein untergeordnetes Verwaltungsgericht im Latium einer der vielen Klagen statt und hebt kurzerhand den gesamten Aktionsplan des Generals der Forstpolizei Siletti, auf. Siletti war von Landwirtschaftsminister Martina zum Sonderbeauftragten mit vielen Durchgriffsrechten ernannt worden, damit schnell und entschieden auf die Notlage reagiert werden konnte. Die Regierung legte umgehend Berufung bei höchsten italienischen Verwaltungsgericht, dem Consiglio di Stato, gegen die Entscheidung ein. Dieses italienische Bundesverwaltungsgericht hat zwar etliche der Silettimaßnahmen vorläufig wieder zugelassen (Gras mulchen, Schaumzirpe bekämpfen, vermehrt testen etc), lässt aber tatsächlich das Verbot für alle vorgesehenen Rodungen bestehen. Im Juni 2015 annulliert das Consiglio di Stato endgültig den Siletti-Plan. Die Bekämpfung des Feuerbakteriums ist somit mehr oder weniger aussichtslos.

– Im Juli 2015 werden 45 Bäume, nach oben beschriebenen Kriterien, von der Region gerodet. Dies muss unter massivem Polizeischutz geschehen um die Sicherheit der Arbeiter zu garantieren.

– Während der ganzen Zeit zirkulieren pausenlos in sozialen Medien, auf Treffen von Widerstandskomitees, auf Protestkundgebungen, die unglaublichsten Erklärungsversuche für das immer schlimmer werdende Desaster.  Permanent werden diese Verschwörungsphantasien gefüttert und befeuert von Personen, die öffentliche Ämter bekleiden, insbesondere auch von vielen der wichtigsten Vertreter der 5 Sternepartei.

„Man könne Xylella leicht mit Seife und Magnetwellen heilen“ propagiert beispielsweise der 5 Sterne-Senator Lello Ciampolillo allenthalben. (Senator in Rom zu sein, entspricht in etwa dem Innehaben eines Bundestagsmandates)

In der Zwischenzeit verbreitet sich Xylella immer weiter.

– Die EU-Kommission beginnt mit immer mehr Ungeduld den permanenten Stillstand zu rügen. Die Kommission stellt sich dabei mit Nachdruck hinter den Silettiplan und bestätigt mit all ihrer Expertise dessen Richtigkeit und absolute Notwendigkeit.

– Italiens größter Weinhersteller, die Familie Antinori, besitzt auch ein großes Gut im Salento, in Apulien, die Tormaresca. Als kleinere zweite Produktion, neben dem Hauptprodukt Wein, wurde in der Tormaresca auch Öl hergestellt. Ende Oktober 2015 lassen die Antinoris in Anerkenntnis der Sachlache und der Richtigkeit der Bemühungen angesichts der Katastrophe, 900 Bäume im gesetzlich beschriebenen Umkreis um infizierte Bäume restlos entfernen. In einer Pressemitteilung, kritisieren sie scharf andere Produzenten, die den Olivenanbau in ganz Italien durch ihre Ignoranz und Impertinenz in Gefahr brächten. Natürlich muss man den märchenhaften Reichtum der Antinoris bedenken, eine solche, richtige Geste fällt einem wohlhabenden Konzern natürlich unvergleichlich leichter als einem kleinen Erzeuger. Dennoch ist dieses Verhalten richtig.

Siletti legt einen neuen Plan vor, der wieder in großen Teilen von Gerichten gestoppt wird.

– Im Dezember 2015 eröffnet die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, wegen der schweren Verstöße gegen vertragliche Verpflichtungen, die Italien im Kampf gegen Xylella hat.

5263- Nach den Rodungen im Weingut Tormaresca, kommt es zu einem Sturm der Entrüstung. Hunderte Aktivisten besetzten teilweise das Land. Vertreter der 5 Sterne-Partei werfen den Verantwortlichen, die sich einfach an gesetzliche Auflagen gehalten haben, vor, einen Holocaust zu begehen. Insbesondere in den sozialen Medien ist die Entrüstung und Wut auf Antinori, die lediglich dem Stand der Wissenschaft vertrauten, völlig ungebremst. Dies bleibt nicht ohne Wirkung. Als erneut 80 weitere Oliven im Umkreis von neuinfizierten Bäumen entfernt werden sollten, widersetzt sich der Betrieb. Man wolle mit Pflanzenschutztechniken (z.B. feinen Netzen über den Bäumen, welche die Schaumzikaden fernhalten) versuchen, die noch gesunden Bäume zu schützen. Die drastischeren Methoden, die sowohl die EU als auch der neue Siletti-Plan vorsahen, wolle man, wohl auf Rücksicht auf die kochende Volksseele, fürs erste nicht weiter umsetzen und klagt auf das Recht dazu. Das Verwaltungsgericht stellt sich auf die Seite der neuen Firmenpolitik Antinoris und untersagte vollständig das Fällen der Bäume. Dieses italienische Gericht hat damit explizit EU-Recht annulliert.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, tut nun die Staatsanwaltschaft von Lecce etwas, das einem eigentlich die Sprache verschlagen müsste.

Eines der wildesten Gerüchte habe ich bisher noch gar nicht erwähnt. Es geht in etwa so:

Auf einer Konferenz zu Pflanzengesundheit und Pflanzenschutz im Jahr 2010 hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern im Zusammenspiel mit etlichen Forschungsinstituten, unter anderen der Universität Bari, der Regierung in Rom, der EU und einigen multinationalen Konzernen beschlossen, die Oliven in Süditalien zu zerstören, um Geldinteressen von großen und mächtigen Hintermännern zu dienen. Tatsächlich wurde im Jahr 2010, anlässlich besagter Konferenz, ein Xylella Fastidiosa-Stamm zur Universität in Bari und zu einer spezialisierten Forschungseinrichtung ebenfalls in Bari gebracht, um daran zu forschen. Es handelte sich dabei keineswegs um die Unterart Pauca, von der wir jetzt schon soviel gehört haben, sondern um eine andere, viel weniger infektiöse Unterart, die Rebstöcke befällt und die Pierce’sche Krankheit, ein Vertrocknen der Stöcke, verursacht. Ölbäume werden nicht befallen. Genetische Analysen haben mittlerweile überdies ergeben, dass die Xylella Fastidiosa Pauca aus Zentralamerika stammt, mit großer Sicherheit aus Costa Rica. Und tatsächlich sind in den Jahren vor dem großen Ausbruch in Gallipoli, viele Zierkaffeepflanzen aus Costa Rica nach Gallipoli gelangt. Ideale Vektoren.

Es müsste also alles gesagt sein und nur noch die wüstesten Komplottjünger sollten an die eben beschriebene Verschwörung glauben. Tatsächlich weit gefehlt. Die Staatsanwaltschaft Lecce glaubte auch an diese Verschwörungstheorie. Der permanente Mahlstrom der falschen Informationen im Netz, viele sensationsheischenden Aussagen in der Presse, die herzzerreißende und unkontrollierte Verzweiflung der Bauern, und die zynische Propaganda der 5 Sterne-Partei haben also tatsächlich in die immer weiter fortschreitende Katastrophe geführt. Irgendwann sind kollektive Ignoranz und Unvernunft den Staatsanwälten wohl so nahe gegangen, dass sie die schwersten Geschütze auffuhren. Führende Juristen, die eigentlich in abstraktem Denken und in der Vermeidung elementarer logischer Fehlschlüsse gut trainiert sein sollten.

Der Sonderbevollmächtigte Siletti, etliche Forscher, Mitarbeiter in Behörden, kurzum viele Beteiligte an den Xylella-Gegenmaßnahmen, werden tatsächlich der oben beschriebenen Fieberphantasie angeklagt. Außerdem wurden alle Maßnahmen per staatsanwaltlicher Verfügung eingefroren und selbst das Roden und Beseitigen eindeutig kranker Bäume (ohnehin dem Tod geweiht und nur noch ein großes Infektionsrisiko für alle anderen Pflanzen), wurden vollständig gestoppt. Der zuständige Ermittlungsrichter hat dann noch allen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft zugestimmt.

Im Beppe-Grillo-5-Sterne-Lager herrschte triumphale Begeisterung.

Fast alle führenden Köpfe der Maßnahmen wurden auf Grund der Ermittlungen und der Ungeheuerlichkeit der Vorwürfe von ihren Aufgaben entbunden. Nachdem Gerichte mehrfach die Maßnahmen der Zentralregierung schlichtweg ausgehebelt hatten, hat diese auch nicht mehr den 12-monatigen Ausnahmezustand verlängert, der Sonderrechte und schnelleres Handeln ermöglicht. Der mittlerweile vor den irrationalen Protesten völlig eingeknickte Regionalpräsident Emiliano, begrüßte die Ermittlungen sogar als einen „guten und befreienden Neuanfang“. Er baute die Pflanzengesundheitsbehörde, die bisher alles geleitet hatte, völlig um und sagte, man müsse jetzt erst mal in Ruhe herausfinden, was an den Vorwürfen dran sei und im Zuge dieser Ermittlungen, werde sich sicherlich auch herausstellen, was man mit Xylella machen müsse.

– Den extrem infektiösen Xylella Fastidiosa Bakterien waren all diese Dinge sehr egal. Da jetzt keine der wichtigsten Wirtspflanzen mehr entfernt wurden, konnten sie sich einfach um so schneller ausbreiten.

– Im Juni 2016 bestätigte der Europäische Gerichtshof in einer schallenden juristischen Ohrfeige, an all die nachgeordneten italienischen Gerichte, die anders geurteilt hatten, dass die Rodungen in so einer Notlage absolut rechtens wären und außerdem absolut nötig wären.

– Im Juli 2016 eröffnete die EU-Kommission ein formales Vetragsverletzungsverfahren gegen Italien, weil es mit seinen Versäumnissen die Landwirtschaft in der ganzen EU gefährdete.

– Ebenfalls im Juli, ein Schelm wer dächte, dass die jüngsten juristischen Entwicklungen auf europäischer Ebene etwas damit zu tun hätten, gibt die Staatsanwaltschaft Lecce die kranken Bäume wieder für Rodungen frei. Ein halbes Jahr lang, konnte sich Xylella völlig ungehindert ausbreiten.

– Im Juni 2017 beklagte sich die Fachzeitschrift Nature in einem aufsehenerregenden Artikel darüber, dass bei der Bekämpfung von Xylella sehr viel Zeit verschwendet worden wäre und dass bis heute die Maßnahmen zu zaghaft und langsam wären. Dies alles vor dem Hintergrund, dass von einem Tag auf den anderen sehr einschneidende Maßnahmen bei der Verfolgung gänzlich absurder Verdachtsmomente, eingeleitet worden wären und alles sehr schnell gegangen wäre.

– Im Juli 2017 forderte die EU-Kommission Italien ultimativ auf, endlich die Rodungen, wenigstens der infizierten Bäume zu Ende zu bringen, andernfalls drohe ein Vertragsverletzungverfahren mit dem Ziel eine Geldbuße gegen Italien zu verhängen.

– Seit dem Oktober 2017 dürfen in den verwüsteten Gebieten wieder die beiden Sorten Leccino und Favolosa angepflanzt werden. Diese Sorten sind zwar nicht resistent gegen Xylella Pauca, aber sie scheinen eine sehr große Toleranz zu haben und entwickeln auch bei einer Infektion kaum oder keine Symptome des CoDiRO, des Complesso del Disseccamento Rapido del Olivo, des „Schnellen Vertrocknungskomplexes bei Oliven“, wie die von den Feuerbakterien ausgelöste neue Krankheit heißt.

– Im März 2018 stoppt ein Gericht erneut Rodungen von Bäumen im Umkreis einer infizierten Pflanze, obwohl dieses neueste Infektionsgeschehen außerhalb der im Grunde aufgegebenen roten Zone liegt. Anders als in der roten Zone soll innerhalb dieser Pufferzone alles versucht werden, den Vormarsch der Feuerbakterien zu stoppen. Besonders eindrucksvolle und alte Ölbäume sind oftmals in ein öffentliches Register als Landmarken eingetragen. Die neue Politik Apuliens ist es, solche Bäume nicht mehr zu fällen, sondern zu versuchen sie anders zu retten. Ein Besitzer hatte argumentiert, seine Bäume wären allesamt Landmarken und dürften deshalb, entgegen klarer Direktiven der EU, nicht gefällt werden. Das zuständige Gericht ordnete daraufhin an, dass festgestellt werden müsste, ob diese Olivenbäume wirklich so schön wären. Diese Überprüfungen führt die Superintendenz für Kulturlandschafts – und Kunstgüterschutz durch. Eine der langsamsten Behörden Italiens. In der Zwischenzeit bleiben die Bäume direkt neben einer nachweislich erkrankten Pflanze einfach stehen.

– Im Mai 2018 eröffnete die Kommission ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien. In der „Anklageschrift“ wirft sie Italien auf allen Ebenen Totalversagen vor.

– Im Sommer 2018 wurde eine eigens entwickelte Spezialkamera vorgestellt, die, auf eine Drohne montiert, speziell spektroskopisch aufgelöste Bilder von Olivenbäumen liefern kann, die dann spektrometrisch ausgewertet werden. Auf diese Weise ist es möglich, die minimalen Veränderungen in den verschiedenen Abstrahlungen und Reflexionen an den Olivenbäumen festzustellen, die durch eine Xylella-Infektion hervorgerufen werden. Dieses Verfahren gibt extrem treffsichere Auskunft über den Zustand eines Baumes, lange bevor mit bloßem Auge irgendwelche Symptome erkennbar sind.

Anfang 2019 kamen der Staatsanwaltschaft Bari ein paar Fragen in den Sinn. Wie mittlerweile üblich, wird dafür ein infizierter, zu fällender Baum kurzerhand beschlagnahmt und der Vernichtung entzogen. Die Bauerngewerkschaften und Fachleute äußern sich entsetzt. Tatsächlich erst nach einem Monat veranlasst die Staatsanwaltschaft, dass der Baum mit einer Plane zugedeckt wird und so nicht mehr von der Schaumzirpe und anderen Überträgerinsekten aufgesucht werden kann. Wie viele weitere Bäume von diesem einen infizierten Baum aus angesteckt wurden, ist nicht bekannt.

– Mittlerweile sind weite Teile der salentinischen Halbinsel eine Art Wüste geworden. In den schon seit Jahren von Xylella heimgesuchten Ölhainlandschaften sind alle alten Bäume tot.

– Dieser Realität entziehen sich nunmehr nicht einmal die hohen Juristen, die in den Jahren zweifelsohne mit ihren erratischen Kompetenzanmaßungen und extrem destruktiven Zwangsmaßnahmen einen großen Teil der Katastrophe mitzuverantworten haben. Klagen von vorgeblichen Umweltschutzverbänden gegen Rodungen werden immer häufiger abgewiesen.

– Im Mai 2019, dreieinhalb Jahre nach der formalen Anklageerhebung und fünf Jahre nach Beginn der Ermittlungen, stellt die Staatsanwaltschaft Lecce, die Untersuchungen gegen ein Dutzend Wissenschaftler und Funktionäre, darunter den nationalen Sonderbevollmächtigten für den Xylella-Notstand selbst, General Silletti,  ergebnislos ein. Nach allem was angestrengt wurde, kann die Staatsanwaltschaft nichts vorweisen.

Anstatt sich zu entschuldigen, das eigene konkrete Versagen von historischen Dimensionen zu thematisieren, anstatt zu beschreiben, wie die ursprünglich richtigen Gerechtigkeitsimpulse sie so sehr in die Irre führen konnten und anstatt, um die eigene Ablösung zu bitten, hat der zuständige Ermittlungsrichter im Einvernehmen und auf Bitten der Staatsanwaltschaft Lecce hin, ein Dokument veröffentlicht, welches ich nur als sehr vollständige, intellektuelle Bankrotterklärung bezeichnen kann. In einer Serie von oftmals widersprüchlichen Insinuationen, wird nochmal, ohne jede Substantiierung, Dreck auf die Beschuldigten geworfen. Ein  Zivilist würde es sicher schwer haben, sich diese Form der üblen Nachrede zu erlauben, ohne sich eines justitiablen Vergehens schuldig gemacht zu haben.

Einzig interessant ist wohl die in der Einstellungsbegründung wiedergegebene Behauptung, dass Xylella Pauca schon seit dem Jahr 2005 in Apulien im Umlauf gewesen wäre. Natürlich muss Xylella schon einige Zeit vor dem Sommer 2013 in Umlauf gewesen sein, da im Moment des ersten Nachweises schon viele tausend Bäume betroffen waren. Aber in Anbetracht der großen Anstecklichkeit und der rapiden Ausbreitung trotz der Gegenmaßnahmen in den letzten sieben Jahren, wirkt es doch sehr weit hergeholt, dass ohne jede Gegenmaßnahmen in acht Jahren ungehinderter Ausbreitung seit 2005, niemand etwas bemerkt haben sollte und keine auffällige Zahl an Bäumen gestorben sein sollte.

– Im September 2019 rügte der Europäische Gerichtshof im Zuge des von der EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, die vielfältigen Versäumnisse in Italien, spricht aber in einer salomonischen Geste keine Vertragsstrafe aus.

Anfang des Jahres 2020 werden die neuesten Entwicklungen einer Mitte 2019 begonnenen großangelegten Bestandsaufnahme und Überwachungsstätigkeit bekannt gegeben. Xylella schreitet nach wie vor voran in Richtung der Nachbarregion Basilicata und auch entlang der Adriaküste in Richtung Norden. Dennoch scheinen die vielen Maßnahmen erste Wirkung zu zeigen. Die Ausbreitung schreitet langsamer voran als zuvor. Vielleicht haben auch etwas die veränderten klimatischen Bedingungen und ein anderer Aufbau der Olivenhaine und eine andere Sortenzusammensetzung der Anbauflächen ihren Anteil daran.

– Im Frühjahr 2020 laufen die Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Xylella weiter, trotz des landesweiten Lockdowns aufgrund der außer Kontrolle geratenen Coronavirusepidemie. Italiens Süden ist zum Glück in der ersten Welle von Covid-19-Fällen nicht sehr stark betroffen.

Anfang Juni 2020 setzt der regionale Verwaltungsgerichtshof wiedermal die vorgeschriebene Beseitigung infizierter Bäume aus. Die Stadt Carovigno hatte gegen das Vorgehen der regionalen Pflanzenschutzbehörde geklagt. Wie viele zusätzliche Infektionen auf diesen erneuten Stopp der Maßnahmen zurückzuführen sind, lässt sich wohl kaum ermitteln. Erst Ende des Monats werden die vorgeschriebenen Rodungen erlaubt.

Ende September 2020 gibt die regionale Pflanzenschutzbehörde bekannt, dass die Ausbreitung der Xylella nach wie vor fortschreitet. Mittlerweile gibt es etliche Infektionsherde in der Provinz Bari. Diese liegen außerhalb der bisherigen Pufferzone.

– Im Dezember 2020 werden in zwei Baumschulen in der Stadt  Canosa di Puglia infizierte Zierpflanzen entdeckt. Mit großer Eile versucht man augenblicklich das genaue Ausmaß des Infektionsherdes zu verstehen und alle entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Canosa di Puglia liegt über 100 Kilometer nördlich der eigentlichen Pufferzone…

Ausblick für die nächsten Jahre

Wir werden sehen, was die nächsten Jahre bringen. Vielleicht schaffen es die zuständigen Stellen mit immer besseren und zielgerichteteren Maßnahmen, diese Epidemie noch einzudämmen. Vielleicht wird das Verständnis für notwendige Maßnahmen in Anbetracht der Katastrophe irgendwann auch bei den unmittelbar Betroffenen zunehmen.

Vielleicht wird man irgendwann die Handlungsreisenden der falschen Informationen einfach aus der Stadt jagen. Vielleicht werden die einfachen, ganz normalen Menschen wieder die Scham vor dem einfachsten aller Sätze verlieren: „Ich weiß es nicht“.

Vielleicht zählt der Rat von Wissenschaftlern und allgemein von Experten wieder etwas.

Vielleicht können die Leute wieder damit leben, dass sie in den meisten Bereichen ziemlich ahnungslos sind.

Diese Ehrlichkeit, die wir alle anstreben sollten, wäre etwas Wunderbares.

Es schenkt uns letztlich ein großes Maß an Freiheit, nicht für alle erst einmal unbegreiflichen Dinge sofort eine einfache, griffige, aufregende Erklärung zu verlangen. Diese Ehrlichkeit ermöglicht uns die Freiheit, wirklich gute Entscheidungen zu treffen, auf der Grundlage echter Fakten, auch wenn diese Entscheidungen bisweilen schwierig sein mögen. Wir müssen aufhören, unser Handeln wie Menschen aus vergangener, überwunden geglaubter Zeit, aus Wahn und Phantasie heraus zu motivieren. Es macht uns zu Erwachsenen im Angesicht des momentan Unerklärlichen, uns nicht wie ein abergläubisches Kind sofort eine Märchengeschichte auszudenken.

Jedenfalls bin ich, was die Ölbäume betrifft, sehr pessimistisch. Andere Klimata, andere Sorten, mögliche mikrobiologische Therapieansätze können vielleicht die Ausbreitung von Xylella verlangsamen. Immer bessere Maßnahmen werden sicherlich hilfreich sein, aber wirklich aufhalten können, werden sie sie wahrscheinlich nicht. Im Moment, nach allem was passiert ist, halte ich es nicht für alarmistisch davon auszugehen, dass irgendwann alle alten Olivenbäume im Mittelmeerraum betroffen sein werden. Selbstverständlich auch unsere. Offenbar wurde in jüngster Zeit eine wirklich resistente Olivensorte entwickelt. Für alle unsere größeren zukünftigen Neupflanzungen werden wir solche Sorten verwenden. Vielleicht haben wir das Glück, diese Bäume schon in Produktion zu haben, wenn Xylella in die Toskana kommt und vielleicht werden wir nie damit konfrontiert sein, alles zu verlieren, von heute auf morgen, wie unsere Kollegen im Salento.

Wenn das Feuerbakterium Xylella Fastidiosa Pauca hingegen niemals in die Toskana gelangen sollte, dann werden wir eben kurioserweise etliche, exotische, junge Neuzüchtungen zwischen unseren alten traditionellen Bäumen haben.

Hoffen wir, dass es so kommt.

Wir werden Sie über weitere Entwicklungen auf dem Laufenden halten.