Olivenernte 2018/2019

Wir haben 2018 eine erstaunlich gute Ernte gehabt. Erstaunlich deshalb, weil wir das ganze Jahr über immer wieder mit widrigen Wetterbedingungen zu tun hatten. Teilweise waren die Ölbäume solchen Schwierigkeiten ausgesetzt, dass wir begannen, erhebliche Ernteausfälle zu befürchten. Mit einigem Aufwand und letztlich auch mit einigem Glück, haben wir aber im Ergebnis eine ordentliche Menge eines sehr feinen und ausgewogenen Öls ernten können.

Viele andere Erzeuger hatten große Ausfälle. Italienweit fielen insgesamt über 60% der Olivenölproduktion aus. Ende Januar veröffentlichte COLDIRETTI, die größte Bauerngewerkschaft, bei der auch wir Mitglied sind, eine Studie, die diese Zahl belegt.

Die Regenperiode während des Spätherbstes und Winters 2017/2018 war nicht allzu ergiebig gewesen. Der langfristige Trend zu insgesamt immer geringeren Niederschlägen hat sich wieder bestätigt. Dennoch regnete es, vor allem im Hauptniederschlagsmonat November ausreichend, so dass unsere Bäume und auch die ganze uns umgebende Vegetation genug mit Wasser versorgt war. Für die Regeneration der Tiefenwasserleiter, die leider nach und nach immer mehr unter Druck geraten, waren diese Regenfälle aber bei Weitem nicht ausreichend. Dazu bedürfte es erheblich ergiebigerer Regenperioden über mehrere Jahre hinweg.

Wir haben nach der Ernte 2017 die Bäume, die am besten produzieren und die wir schon soweit haben, dass wir sie jedes Jahr ernten, alle gedüngt. Die Flächen zwischen den Bäumen wurden gemulcht, störende Wurzelaustriebe schon im Ansatz beseitigt. Den Bäumen wurde eine Blattdüngerlösung und etwas Kupfer aufgesprüht, um sie dabei zu unterstützen, die vielen kleinen Verletzungen, die durch das Schütteln und Rütteln des dünnen fruchttragenden Astwerks während der Ernte entstehen, zu heilen. Und um sie für die folgende Wachstumsperiode im nächsten Jahr gut zu unterstützen. Insbesondere dem Kupfer kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Die Pseudomonas-Savastanoi-Bakterien, die im Olivenholz für unkontrollierte Wucherungen sorgen, können die sogenannte „rogna dell’olivo“ hervorrufen.

Diese Bakterien wandern auch innerhalb der Lymphbahnen des Baums, dies aber nur sehr langsam. Hauptsächlich werden diese Bakterien von außen, durch Verletzungen an den Bäumen, übertragen. Hier kommt das an der Oberfläche wirkende Kupfer zur Geltung. Tatsächlich spielt Kupfer aber auch eine Rolle im pflanzlichen Stoffwechsel. Außerdem sollten Schneidewerkzeuge nach Möglichkeit immer wieder desinfiziert werden, besonders, wenn stark befallene Bäume geschnitten werden, um den Befall nicht auf andere Pflanzen zu übertragen. Teilweise wird diese Desinfektion sogar innerhalb derselben Pflanze ausgeführt, um nicht von einem Schnitt zum nächsten, die Pseudomonas-Bakterien zu übertragen. Bäume, die in einem guten vegetativen Zustand sind, können oftmals schneller neue Triebe bilden als die Krankheitserreger sich innerhalb der Lymphe weiterbewegen können. Gesundes, neues Holz kann der „rogna“ in gewisser Weise „davonwachsen“. Man kann einen einmal erkrankten Baum nicht von der „rogna“ befreien, aber immerhin kann man die Erkrankung unter anderem durch gezielten Schnitt eindämmen oder sogar zurückdrängen.

Neuanpflanzungen

Außerdem haben wir etliche neue Bäumchen der „Frantoio“-Sorte gepflanzt, um einen unserer Haine etwas zu verdichten. Nach all der Vorarbeit wären die Bäume für einen normalen Winter gut vorbereitet gewesen und hätten, wenn die Kälte nicht völlig abrupt von einem Tag auf den anderen gekommen wäre, sogar einige Grade unter null  gut vertragen. Tatsächlich waren dann aber die drei Wintermonate ungewöhnlich warm. Sogar im eigentlich kältesten Monat Januar hatten wir eine Durchschnittstemperatur von knapp plus 8,5 Grad Celsius. Tagsüber oftmals sogar über 15 Grad. Viel wärmer als eigentlich üblich! Die milden Temperaturen, die immer länger werdenden Tage und die vielen Sonnenstunden sorgten dafür, dass die Oliven auszutreiben begannen. Gegen Ende Februar waren die Bäume schon voll im Wachstum. Es gab genug Feuchtigkeit im Boden und die Regenfälle hatten mittlerweile die Nährstoffe zu den Wurzeln geschwemmt. Außerdem war zu diesem Zeitpunkt der ausgebrachte Blattdünger schon voll in den Metabolismus der Pflanzen integriert. Ideale Bedingungen also für frisches Wachstum.

Erfrorene Olivenbäume

Die frische grüne Vegetation ist noch weitgehend Ligninfrei (Hauptbestandteil der Holzstoffe). Diese unverholzten Teile der Vegetation sind extrem frostanfällig. Solche kleinen Triebe sind sehr dünn und können deshalb leicht vollständig durchfrieren. Außerdem wirkt das in älterem, in „verholztem“ Holz eingelagerte Lignin wie Isolierungsmaterial. Um die Versorgung der neuen Triebe zu gewährleisten, muss ein beständiger Strom von Wasser, angereichert mit allen möglichen Nährstoffen, an die Spitzen der Triebe gebracht werden. Dort am sogenannten Bildungsgewebe oder Meristem findet das tatsächliche Längenwachstum der Pflanzen statt. In Phasen erhöhter Wachstumsaktivität ist der Pflanzensaft oder die Lymphe besonders dünnflüssig, was eine schnellere Fließgeschwindigkeit ermöglicht. Leider gefriert dünnflüssiger Pflanzensaft umso leichter!

Und dann kam Ende Februar, ziemlich pünktlich zum meteorologischen Frühlingsanfang, sehr abrupt, ein für hiesige Breiten extrem harter Frost. Wir hatten starke Winde und Temperaturen bis zu acht Grad Celsius unter null. Fast eine ganze Woche lang, bis in die ersten Märztage, hielt diese Kälte an. Wie man sich leicht denken kann, war dieses Ereignis für die Ölbäume sehr schädlich. Im Laufe des Jahres wurde dann erst das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar.

Unsere Oliven, die auf ganz nach Süden ausgerichteten Hängen wachsen, haben übrigens besonders unter der Kälte gelitten, obwohl sie weniger dem eisigen Wind ausgesetzt waren, als Oliven die auf Hängen wachsen, die sich nach Norden hin öffnen. Auf den ersten Blick mag das widersinnig erscheinen, es hat aber einfach mit den weiter oben beschriebenen Abläufen zu tun. Die niedrige Wintersonne konnte die sonnenabgewandten Hänge nicht allzu stark erwärmen und auch die Stunden direkter Sonneneinstrahlung waren im Vergleich zu Südhängen viel weniger. Die kühler und schattiger gelegenen Olivenbäume standen also beim Frosteinbruch noch nicht so voll im Saft wie die Olivenbäume an den Südhängen. Entsprechend haben die Oliven an den sonnenabgewandten Hängen viel weniger gelitten.

Wie schon für das letzte Jahr beschrieben, trug auch in diesem Jahr die Kälte dazu bei, dass die Oliven – wenn auch sehr spät im Jahr – in, soweit dies bei den immergrünen Oliven eben möglich ist, fast vollständige, vegetative Ruhe eintraten. Die vom Frost unbeschädigten Knospen wurden in großer Zahl zu Blütenknospen ausgebildet. Zwar zeigte sich schon Ende März, dass an vielen Pflanzen ganze Äste absterben würden, aber dennoch war an den verbleibenden Zweigen die Blüte oft sehr üppig. Tapfere Bäume! Wie schon in den vorhergehenden Berichten über die Ernten in den früheren Jahren beschrieben, wurde den Pflanzen kurz vor der Blüte wieder durch das Aufbringen von Blattdünger eine Hilfestellung gegeben. Zum einen um den Bäumen zu helfen auf die Frostschäden zu reagieren, zum anderen, um gezielt der Blüten- und vor allem der Pollenbildung zu helfen. Hier in Suvereto haben wir sehr oft kalkhaltige Böden, die oftmals einen erhöhten, also basischen, PH-Wert aufweisen.

Der Berg Monte Calvi, an dessen Fuß unsere Ölbäume wachsen, besteht fast vollständig aus Kalkstein. Damit gehen zwei Schwierigkeiten einher: In basischen Ambienten fällt es den Bäumen ohnehin schwerer, das wichtige Halbmetall Bor zu assimilieren und zudem sind unsere Böden besonders arm an Bor. Vor der Blüte wurde also Blattdünger gegeben. Auf der Basis von Bor und auf der Basis von Stickstoff. Grundsätzlich verzichten wir auf Produkte aus der Synthesechemie und verwenden nur Produkte, die in der biologischen Landwirtschaft zulässig sind. Irgendwann werden wir diese Art zu wirtschaften auch zertifizieren lassen und dann offizielles Bio-Öl erzeugen. Im Moment wirtschaften wir zwar biologisch, aber da wir das nur in Selbstkontrolle tun, haben wir natürlich auf den Etiketten unserer Ölflaschen keinerlei Hinweis darauf.

Die Zertifizierungskosten für biologisches Wirtschaften und die damit einhergehenden Auflagen, sowie auch die Pflicht, etwas andere Strukturen zu schaffen, rechnen sich im Moment für unsere kleinen Mengen noch nicht. Aber es wird irgendwann dazu kommen. Blattdüngung ist übrigens ein sehr spezifischer Vorgang, bei dem die gewünschten Nährstoffe direkt auf die Blätter der Pflanzen aufgesprüht werden. Die tatsächlichen Mengen an Nährstoffen, die ausgebracht werden, sind dabei sehr gering. Anders als bei beispielsweise einer Pelletdüngung des Bodens, mit der man tatsächlich die Nährstoffzusammensetzung des Bodens insgesamt zu verändern versucht, hat die Blattdüngung kaum Auswirkungen in dieser Hinsicht und kommt nur unmittelbar der Pflanze zu Gute. Leider hatten wir während der Übergangsphase von Blüte zur Bildung von Fruchtansätzen, von Mitte bis Ende Mai starke Winde und weit überdurchschnittliche Regenfälle. Beide Wetterphänomene sind der Fruchtentwicklung sehr abträglich. Da Oliven Windbestäuber sind, brauchen sie einigermaßen trockene Bedingungen zur Zeit der Bestäubung.

Wenn die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist oder es sogar ständig regnet, verklebt der Pollen bevor er richtig fliegen kann, um die Blüten der Nachbarbäume zu bestäuben. Wie man sich leicht vorstellen kann, sind sowohl völlige Windstille als auch zu starke Winde einem gleichmäßigen Pollenflug abträglich. Außerdem brechen starke Winde in der empfindlichsten Phase überhaupt, genau dann, wenn nach der erfolgten Bestäubung die ersten Fruchtansätze gebildet werden und die dünnen Blütenstängel zu stärkeren Fruchtstängeln heranwachsen, große Mengen der winzigen Oliven einfach ab. Die Pflanze wirft in jedem Fall einen großen Teil der Blüten, respektive der Fruchtansätze ab, da die Oliven später viel größer werden als die winzigen Blüten und an den Rispen gar nicht genug Platz wäre. In diesem Jahr aber war der Verlust durch richtige Stürme besonders hoch.

Während der folgenden Periode des Heranwachsens der Olivenfrüchte bis hin zur Verholzung und Hartwerdung des Kerns von Anfang Juni bis Anfang Juli, war es dann sehr plötzlich extrem heiß, und trocken. Wie ganz Europa hatten auch wir mit einem außergewöhnlich heißen und trockenen Sommer zu tun. Zum Glück konnten wir in den Olivenhainen, die schon besser produzieren und in denen es sich lohnt, mit agronomischen Maßnahmen auf die Umstände zu reagieren, bewässern. Die hohen Temperaturen sorgten zwar in jedem Fall dafür, dass die Ölbäume ihren Stoffwechsel stark drosselten, aber da die Pflanzen Wasser bekamen, waren die Verluste durch Abwerfen der kleinen Früchte nicht sehr groß. Werfen doch Oliven, die im (Trockenheits-)Stress sind, als erstes die Früchte ab, die für das unmittelbare Überleben der Pflanze selber, am wenigsten wichtig sind.

Olivenfliege (Bactrocera Oleae)

Einen großen Vorteil hatte aber die große Trockenheit und die dauerhafte und weit überdurchschnittliche Hitze über die Sommermonate dennoch. Der Hauptschädling der Olive, die Olivenfliege, konnte bei diesen Witterungsbedingungen kaum aktiv sein. Es war eine extrem hohe Larvensterblichkeit zu beobachten und die Reproduktionstätigkeit der Olivenfliege kam fast vollständig zum Erliegen. Phasenweise war es sogar so heiß, dass sogar von erhöhter Sterblichkeit der adulten Tiere auszugehen war. Außerdem können in diesem heißen und trockenen Wetter im Grunde keine schädlichen Pilze gedeihen. Und so konnte man im Laufe des Augusts, die nunmehr schon auf ganz ordentliche Größe herangewachsenen Oliven, in ihrer grasgrün leuchtenden Farbe in zufriedenstimmender Menge an den Bäumen sehen. In diesem Jahr konnten wir fast vollständig auf das Sprühen von Kaolinpulver verzichten, das wir normalerweise verwenden um die Olivenfliege zu vergraulen. Und da wir wässern konnten, gab es auch nur wenig Notwendigkeit das Kaolin zu verwenden, um den Stoffwechsel der Bäume, wie im Aufsatz über die Ernte 2017/2018 beschrieben, zu verlangsamen und die Wärmereflektion der Blätter ein wenig zu erhöhen.

Teilweise rotreife Oliven

Als die Temperaturen im Laufe des Septembers zu sinken begannen und es auch ab und zu regnete, herrschten sehr gute Bedingungen für die letzte Phase der Olivenreifung. Die Olivenernte hat sich in diesem Jahr etwas nach hinten verschoben, da ab Mitte Oktober sehr viel Regen fiel und an vielen Tagen deshalb nicht geerntet werden konnte. Etliche Tage konnten wir auch nicht in die Olivenhaine gehen, weil extreme Windgeschwindigkeiten herrschten. Es gab wegen der Stürme in ganz Italien fast überall große Schäden. Man hat sicher von diesen Unwettern in den Nachrichten gehört. Hier im Corniatal brachen die Stürme auch viele Äste von den Bäumen und warfen teilweise ganze Bäume einfach um.

Aber zum Glück hatten wir in den Olivenhainen keine größeren Schäden. Natürlich wurden nochmal viele Oliven durch die peitschenden Stürme von den Ästen geschüttelt, aber insgesamt war der Verlust zum Glück weniger groß, als wir anfangs befürchtet hatten. Die Oliven, die wir dann letztlich ernten konnten, waren fast ausnahmslos gesund. Und die geerntete Menge war nach allen Widrigkeiten, mit denen die Bäume das ganze Jahr über zu tun hatten und die zwischenzeitlich extreme Ausfälle befürchten ließen, durchaus ordentlich.
Aufgrund der, wie eben beschriebenen, relativ späten Ernte und aufgrund der in der letzten Phase reichlichen Niederschläge, ist die Schärfe und die Bitterkeit in unserem Öl in diesem Jahr etwas weniger prägnant. Dennoch finden wir, dass das heurige Öl sehr gut ist. Es ist in diesem Jahr besonders durch eine duftende Fruchtigkeit definiert.

Olio Nuovo

Wie im Einzelnen genau geerntet wird und welche Abläufe in der Presse stattfinden, kann man übrigens gut in den vorangegangenen Aufsätzen nachlesen. Viele weitere Informationen zum Olivenöl, unter anderem auch rund um den Geschmack des Öls, finden sich in dem Aufsatz „Gedanken und Informationen zum Olivenöl“.